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Deine Lakaien
Deine Lakaien - Dual (Doppelalbum)

14.04.2021
Das neue Doppelalbum Dual - ab Freitag, 16.4. 2021

Es ist schon viel geschehen in der mittlerweile 35-jährigen Bandgeschichte von Deine Lakaien, jener von Sänger Alexander Veljanov und Komponist Ernst Horn gegründeten Electronic Avantgarde-Formation, die sich nach einer Textzeile des Einstürzenden-Neubauten-Songs „Die genaue Zeit“ benannt hat und sich in jeder Hinsicht von damals so populären Synthie-Pop-Duos wie Yazoo, Soft Cell, Eurythmics, Blancmange oder OMD unterscheiden wollte.

Ihre zunächst rein elektronischen, avantgardistisch angehauchten Arrangements haben Deine Lakaien über all die Jahre nicht nur über viele Veröffentlichungen immer wieder mit mehr oder weniger stark ausgeprägten akustischen Elementen versehen, sondern das Pendel gerade bei Live-Konzerten von puristischen Elektronik-Arrangements bis zu voller Orchester-Untermalung ausschlagen lassen. Ihrer beeindruckend umfangreichen, musikalisch vielschichtig schillernden Werksbiografie, die mit den beiden jüngsten Jubiläums-Compilations „XXX. The 30 Years Retrospective“ (2016) und „The 30 Years Retrospective: Live“ (2018) mehr als adäquat zusammengefasst worden ist, fügen sie nun mit dem Doppel-Album „Dual“, welches am 16. April 2021 erscheint, ein weiteres charismatisches Schmuckstück hinzu.

Mit ihrer eigenwilligen Cover-Version des von Patti Smith und Bruce Springsteen komponierten Klassikers „Because The Night“ und der damit korrespondierenden Eigenkomposition „Because Of Because“ haben Alexander und Ernst bereits den Weg für ein außergewöhnliches Konzeptalbum geebnet, das einerseits aus einer faszinierenden Auswahl an Cover-Songs besteht, mit der man selbst als langjähriger Lakaien-Fan, der mit der enormen Bandbreite an musikalischen Ausdrucksformen des Duos vertraut ist, kaum rechnen würde. Auf der anderen Seite steht vor allem aber auch ein weiteres Album mit eigenen Songs, die sich allerdings musikalisch oder thematisch auf die jeweiligen Cover-Songs beziehen.

„Wir haben einen recht großen Pool an Songs zur Auswahl gehabt, aber letztendlich kam es uns vor allem darauf an, dass die Songs nicht von großen Persönlichkeiten stammen, die uns sehr wichtig waren, sondern Songs, die wir interessant fanden, um sie in eine Deine-Lakaien-Ästhetik zu bringen“, begründet Alexander die Auswahl der Cover-Songs von „Dual“. „Ich habe eher vermieden, bis auf wenige Ausnahmen große Gesangsvorbilder auszuwählen. Das war sehr interessant, weil wir da ganz unbefangen an die Sache herangehen konnten, ohne dass wir uns an dem messen lassen müssen, was wir besonders verehren.“

Während Ernst Horns persönliche musikalische Sozialisierung bereits in den 1960er-Jahren begann, waren es bei Alexander Veljanov vor allem die 1980er-Jahre, die ihre Spuren hinterlassen haben. Am wenigsten dürfte deshalb „The Walk“ von The Cure auf der Tracklist überraschen, ist die Band von Robert Smith doch am ehesten in dem Genre beheimatet, mit dem auch Deine Lakaien vornehmlich in Verbindung gebracht werden.

„,The Walk‘ stammt aus meiner Aufbruchszeit der Lakaien und war für mich immer ein schönes Beispiel dafür, wie sich The Cure entwickelt haben aus der Schwermütigkeit hin zu der hysterischen, lebensbejahenden, leicht kindlich debilen Uptempo-Synthie-Phase“, erzählt Alexander, der die meisten der Cover-Songs ausgewählt hat. „Es hat sehr gut funktioniert, weil wir es geschafft haben, den Song nicht einfach zu kopieren, ihn aber auch nicht zu dekonstruieren. Es ist eine Hommage an diese Zeit. Wir wollten ein Lakaien-Album machen, das aber auch die Originale würdigt und nicht zerstört.“

Ein wunderbares Beispiel für dieses gelungen umgesetzte Konzept stellt „Spoon“ dar. Der CAN-Hit fungierte 1971 als Erkennungsmelodie des Durbridge-Krimi-Dreiteilers „Das Messer“ und lässt eher auf die Wahl des Soundtüftlers Ernst Horn schließen, doch tatsächlich wurde der klassisch ausgebildete Komponist eher von den früheren Werken der Krautrock-Legende geprägt, während „Spoon“ Alexander seit seiner Kindheit ebenso befremdet wie begeistert hat. Sowohl die Cover-Version von Deine Lakaien als auch die dazu kreierte Eigenkomposition „Sick Cinema“ werden dabei durch die exotisch akzentuierte Instrumentierung verbunden, die der umfangreichen Sound-Bibliothek zu verdanken ist, die Ernst über Jahrzehnte angelegt hat, indem er Instrumentalsequenzen alter Langspielplatten und Aufnahmen aus Jam-Sessions mit Musikern, die der in München lebende Komponist eigens dafür in sein Studio eingeladen hatte, zerlegte und zu „musizierbaren“ Multisamples aufbereitete.

Während Deine Lakaien für einige ihrer früheren Alben und Konzerte immer wieder mal Musiker an akustischen Instrumenten engagiert haben, trügt das vielfarbige Klangbild auf „Dual“, denn sowohl die fernöstlich anmutenden Rhythmen bei „Spoon“ und „Sick Cinema“ als auch die brummenden Gitarren-Sounds bei dem Soundgarden-Cover „Black Hole Sun“ und dem damit korrespondierenden „In Your Eyes“ oder die einschmeichelnden Akustik- und Streicher-Sounds beim Kansas-Cover „Dust In The Wind“ sind letztlich das Resultat versierter Sample-Spielereien, die Ernst Horn auf gewohnt spielerisch wirkende, aber letztlich sorgsam inszenierte Weise in das Klangbild der Songs eingewoben hat.

Auch sonst erweist sich „Dual“ als bunte Mixtur aus mehreren Jahrzehnten Musikgeschichte. Deine Lakaien haben sich bewusst dafür entschieden, verschiedene Genres aus diesen Jahrzehnten abzudecken, was „Dual“ zu einem universellen Album im wortwörtlichen Sinne macht. Dass Cat Stevens‘ „Lady D’Arbanville“ neben Jacques Brels „La Chanson des Vieux Amants“, Kate Bushs „Suspended In Gaffa“ und Linkin Parks „My December“ nebeneinander funktionieren können, ist eben der besonderen Fähigkeit der Band zu verdanken, jedem Stück – sei es Cover-Version oder Eigenkomposition – ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Dazu zählen die ausgefallenen Instrumentalpassagen, in denen Ernst Horn gern die Geschichte eines Songs auf seine eigene Weise weitererzählt, als auch die wunderbare, wandelfähige und ergreifende Stimme von Alexander Veljanov, der es sich weder nehmen ließ, seinem großen Idol Jacques Brel mit dem eigenen französischen Chanson „Les Oiseaux“ zu huldigen, noch das sarkastische „Song Of The Flea“ von Mussorgsky auf Russisch zu interpretieren, das er nach eigenen Angaben zwar gut versteht, aber alles andere als perfekt zu sprechen vermag. Auch für Ernst Horn bedeutete gerade die Arbeit an dem Mussorgsky-Stück eine immense Herausforderung.

„So zu klingen wie die Originale wäre natürlich der völlig falsche Ansatz gewesen. Wir wollten mit unseren Mitteln und Vorstellungen zum Kern dieser Lieder vordringen und es zu unserem Eigen machen. Dieses Floh-Lied war zum Beispiel sehr schwer so zu machen. Das lebt ja von den Tempo- und Stimmungswechseln. Das lässt sich nicht einfach geradebügeln, um einen Techno-Song daraus zu machen. Das war eine schwierige Arbeit am Computer, diese Wechsel so zu programmieren“, betont Ernst die Problematik und erklärt abschließend: „Wir haben aber aus Respekt vor den Künstlern den Aufbau der Songs, der Länge von Strophe und Refrain beibehalten, abgesehen davon, dass wir in den längeren Zwischenspielen auch unsere eigene Geschichte erzählen. Uns war es ganz wichtig, dass wir den Song respektieren und nicht an den Texten oder so herumpfuschen.“

So haben Deine Lakaien mit „Dual“ alles andere als ein gewöhnliches Cover-Album eingespielt, wie es so viele Bands irgendwann im Lauf ihrer Karriere einspielen, denn „Dual“ stellt nicht nur eine lose Sammlung von Lieblingsstücken der Band dar, sondern verbindet auf ebenso komplexe wie stimmige Weise ausgewählte Lieder außergewöhnlicher Künstler, die auf ihre jeweils eigene Weise eine Ära und ein Genre geprägt haben. So verbindet das charismatische Duo zwar an sich völlig verschiedene Genres wie französischen Chanson, russische Lieder-Klassik, Post-Grunge, europäischen New Wave, amerikanischen Rock, britischen Folk-Pop und deutschen Krautrock, bringt es durch Ernst Horns unvergleichliches Geschick als Arrangeur und Alexander Veljanovs ebenso unnachahmlich einfühlsam warmer und mitreißender Stimme in eine Form, die ganz eindeutig Deine Lakaien zuzuschreiben ist.

Den virtuos interpretierten Cover-Songs stehen dabei die jeweils dazu kreierten Eigenkompositionen in nichts nach. Während Ernst das musikalische Grundgerüst zu den selbst konzipierten Tracks beisteuerte, spielte er sich bei den Texten mit Alexander gegenseitig die Bälle zu, bis sich auf einen passenden Text geeinigt wurde. So interessant das Album mit den Cover-Versionen allein schon ist, so fasziniert auf dem Album „Dual“ vor allem der Part mit den Eigenkompositionen, die durchaus für sich stehen könnten, aber gerade als verspieltes und zitierendes Pendant zu den adaptierten Fremdkompositionen die musikalische Reife und Finesse der Band offenbaren. Während der Opener „Because Of Because“ als Antwort auf den Patti-Smith-Hit „Because The Night“ musikalisch zunächst noch den ausgeprägteren akustischen Touch früherer Deine Lakaien-Alben wie „Kasmodiah“ (1999), „White Lies“ (2002) oder „April Skies“ (2005) aufgreift, entführen Deine Lakaien ihre Hörer mit dem exotisch pulsierenden „Sick Cinema“ in jene fernöstliche Gefilden, die bereits mit der Krautrock-Legende CAN assoziiert worden ist, bevor „In Your Eyes“ als Antwort auf Soundgardens „Black Hole Sun“ melancholische Piano-Klänge mit dem Sound von kantigen E-Gitarren-Riffs verbindet. Wie üblich sorgen fein ausgetüftelte Instrumental-Passagen auch hier für das ganz spezielle Deine-Lakaien-Feeling, mit dem sie ihr Publikum verzaubern.

„Wir lassen uns einfach Zeit und arbeiten gern mit Instrumentalteilen, die die Plattenfirma gern rausschneidet, aber uns ist das wirklich wichtig“, betont Ernst. „Das haben wir auch bei den Cover-Songs so gemacht, dass wir Instrumentalteile kreieren, die das Ganze auch reflektieren und dabei Steigerungen aufweisen. Das ist auch das Merkmal unserer eigenen Songs, dass wir uns Zeit lassen für musikalische Entwicklungen und nicht nur für Strophe und Refrain oder Strophe, Brücke und Refrain. Bei uns soll das eine gesamte Form haben.“

Diesem Ansinnen folgt auch die Tracklist, die nicht einfach 1:1 mit den zehn Cover-Songs entspricht, sondern einer eigenen Dynamik folgt. So lädt nach den ersten drei temperamentvollen Songs das melancholische, mit prominent mit Streicher- und Piano-Klängen arrangierte „Snow“ zum Innehalten ein, ehe mit „Happy Man“ wieder eine rhythmischere Gangart eingeschlagen und mit dem wunderbar flotten „Run“ als nostalgische Reminiszenz an den Sound der elektronischen Phase von The Cure mit „The Walk“ ein nächster potenzieller Hit für die Tanzfläche ansteht. Mit dem französisch interpretierten „Les Oiseaux“, dem vertraut wehmütig gesungenen wie zurückhaltend, doch anspruchsvoll wechselhaft instrumentierten „Unknown Friend“, dem düster-experimentellen „Qubit Man“ sowie dem einfühlsamen Epilog mit der Ballade „Someone To Come Home To“ als tröstliche Antwort auf Linkin Parks „My December“ findet der musikalische Part der wunderbar vielseitig arrangierten und interpretierten Deine-Lakaien-Kreationen einen bewegenden Abschluss. Doch mit den beiden 10-Track-Alben von „Dual“ ist diese spannende Geschichte noch nicht zu Ende erzählt.

Text: Dirk Hoffmann


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