Presse

Deine Lakaien
Soll Erfüllt!

Alexander Veljanov & Ernst Horn alias DEINE LAKAIEN, unter der Lupe

Access All Areas · 01.02.2002

Oftmals sind erfüllte Erwartungen nur bedingt befriedigend. Das mag einerseits daran liegen, dass - gerade der Fan! - insgeheim unerfüllt hohe Innovationserwartungen an seine Lieblinge stellt, andererseits daran , dass, wenn man die Historie einer Band seit ihren Anfängen intensivst verfolgt, große Überraschungen ausbleiben. Erst recht, wenn der Stil derart definiert ist wie bei Deine Lakaien. Natürlich wäre es falsch, Alexander Veljanov (Gesang) und Ernst Horn (Keyboards) Stagnation oder gar Einfallslosigkeit vorzuwerfen. Im Gegenteil: Mit ihren letzten solistischen Glanzleistungen haben sie einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie sich als solistisch arbeitende Künstler sehr weit und höchst individualistisch vom Lakaien Kontext entfernt haben. Doch von der Funken versprühenden, sich positiv reibenden Spannung ist auf dem aktuellen Album „White Lies“ nur wenig zu spüren.

Alexanders Bemerkung, er hätte an den Aufnahmen des Albums selten so entspannt und mit einem guten Gefühl gearbeitet, führt paradoxerweise auch das Problem vor Augen: Deine Lakaien müssen nichts mehr beweisen, weder sich selbst, noch ihren devoten Fans. Die Kämpfe und Herausforderungen der Vergangenheit werden heute auf anderen kreativen Plätzen ausgetragen. Deine Lakaien funktionieren heute perfekt. Somit ist „White Lies“ vielleicht auch das perfekteste und in sich geschlossene Album der Band bisher, gerade weil die mangelnde Reibung, die offensichtlichen, experimentellen Ausbrüche der Vergangenheit fehlen oder weitaus subtiler und spielerischer als in der Vergangenheit praktiziert werden. Gerade für Alexander Veljanov, der sich auf früheren Werken seinen Platz oftmals massiv erkämpfen musste, eine extrem angenehme Arbeit. Nicht zuletzt, weil er seine ganz eigenen, in der Band nicht zu verwirklichen Visionen erst kürzlich erfolgreich auf seinem Solo-Album „The Sweet Life“ ausleben konnte.

ALEXANDER VELJANOV: „Die ganze Arbeit an ´White Lies` war sehr entspannt, was nicht heißt, dass sie nicht energiegeladen war. Doch vieles war ganz einfach unausgesprochen klar, ohne dass ich mir sagen musste, dass das, was wir machen, alles schon einmal dagewesen ist. Was neu ist, sind oftmals Kleinigkeiten, die nach außen hin vielleicht keine so große Bedeutung haben, doch mir fallen viele kleine Neuigkeiten auf, wie zum Beispiel die indischen Ethno-Elemente in ´Generators`, die intime Psychodelic in ´Silence In Your Eyes` oder die sehr vulgäre Freude in ´Kiss`. Das sind Puzzlestücke, die das Gesamtbild so positiv ergänzen, dass es einfach Spaß gemacht hat, das Album aufzunehmen. Und das ist jetzt nicht kokett dahergeschummelt. Natürlich schmeißt man den kommerziellen Erfolg nicht einfach weg, doch ´White Lies` ist nicht das Album, das den Vorgänger ´Kasmodiah` in Poppigkeit und Lebendigkeit versucht, noch massenkompatibler zu machen. Es ist im Gegenteil sehr in sich gekehrt, ohne zu große Geste oder Pathos.“

ERNST HORN: „Es ist auf alle Fälle mehr songorientiert als früher. Das ist eine Entwicklung, die bei uns in den letzten Jahren schon auffällig stattgefunden hat. Das hat auch damit zu tun, dass ich mit dem Gesang in diesem Falle besonders glücklich war. das, und die Tatsache, das die letzten anderthalb Jahre für mich nicht besonders toll waren, hat auch dazu geführt, dass diese Songs heute defensiver klingen. Ich habe halt sehr leise darauf reagiert…“

Der punktierte, disziplinierte, heute weit mehr als vordem im Vordergrund stehende Gesang Alexander Veljanovs ist in der Tat eine neue Komponente in der Musik der Lakaien. Schon auf „Kasmodiah“ war diese Tendenz spürbar. hat dies vielleicht auch damit zu tun, dass der pathetische Schwall mit Erfahrung und Reife differenzierteren Ausdrucksmöglichkeiten weicht?

ALEXANDER VELJANOV: „Schwer zu sagen. Bei vielen sehr jungen Sängern kann man einen Hang zu einer leicht orientierungslosen, aber hungrigen Geste spürt. Doch sobald sie sich den Lebensmittelpunkt nähern, trauen sie sich immer mehr zu. Selbst bei großen Sängern wie Billie McKenzie denke ich, dass ab seinem 40. Lebensjahr etwas anderes hätte kommen müssen als das exaltierte Pathos und diese Anspannung. Was mich betrifft, so habe ich versucht, der Musik eine gewisse innere Ruhe zu geben.“

Eine Ruhe, die bei Veljanovs Soloalbum „The Sweet Life“ dagegen nicht zwangsläufig spürbar war. In wieweit haben Ernst Horns Helium Vola und Alexanders solistische Ausflüge ihren Eingang in die Arbeiten zu „White Lies“ gefunden?

ERNST HORN: „Mehr noch als bei Qntal bin ich bei Helium Vola wieder zur Komponistenarbeit zurückgekehrt. Allein aufgrund der Art von Musik war ich wieder gezwungen, Noten zu schreiben. Und das ist eine Arbeitsmethode, die auch bei Deine Lakaien eingeflossen ist und die sich mit Sicherheit so fortsetzen wird. Doch jedes Projekt hat seine eigenen Gesetze.“

ALEXANDER VELJANOV:„Ich hatte aufgrund der Arbeit an ´Sweet Life` gar keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. ich habe mich direkt hinein gestürzt….“

ERNST HORN: „Da muss ich kurz eingreifen. ich finde, dass Alexander seit den Soloalben doch etwas anders singt. Es ist eine Entwicklung, die man jetzt deutlich merkt. Und das hat auch auf die Musik Auswirkungen. Ich höre die Stimme jetzt anders, und ich reagiere und arrangiere heute anders. Das ist aber ein Vorgang, bei dem ich froh bin, dass ich über ihn nicht allzu viel nachdenke.“

Für den Fan und geneigten Hörer ist die Entwicklung dennoch unübersehbar: Die verschachtelten, aufgetürmten Arrangements sind einfacher strukturierten, sparsam und sensibel instrumentierten Formaten gewichen, ohne dabei im konventionellen Sinne minimalistisch zu sein.
ALEXANDER VELJANOV: „Klar, solche Klanggemälde wie ´Forest` zum Beispiel sind heute weniger vorhanden. Diese Entwicklung hat aber auch damit zu tun, dass ich als Sänger heute nichts mehr zu verlieren habe. Mich stören und verletzen Kritiken nicht mehr so wie früher, ich bin aber auch nicht mehr so euphorisch, wenn mich jemand lobt. Ich weiß ganz einfach, was und wie ich es mache, und welche Schritte ich gegangen bin. Ich habe eine Sicherheit gefunden. In den 80er Jahren wollte man schön und mysteriös klingen, so wie David Sylvian zum Beispiel. ich habe schon damals mit dem Kopf geschüttelt, wenn mich jemand mit Andrew Eldritch von den Sisters Of Mercy verglichen hat. Heute ist es mir egal, ob mich jemand für den Nick Cave Deutschlands hält. Ich habe einen eigenen Stil entwickelt. Ich bin ich.“

Bedeutet diese Sicherheit auch, dass er aufgehört hat, zu kämpfen?

ALEXANDER VELJANOV: „Nein das nicht. Ich muss mir nach wie vor Mühe geben - und es war für mich nicht einfach, einen Song wie ´Fleeting` oder ´Stupìd` auf dem neuen Album zu interpretieren. Das waren Stücke, mit denen ich erst gar nichts anfangen konnte und auch nicht wusste, was Ernst da eigentlich von mir will. Ich finde, das Ergebnis klingt sehr charmant und stimmig. Ob es Songs sind, die mir nach dem dritten Hören noch gefallen, sei dahin gestellt. Doch ich muss sie ja nicht hören - ich mache sie ja! Ich habe erst neulich zu Ernst gesagt, dass ich nicht weiß, ob ich mir eine Lakaien-Platte kaufen würde, wenn ich nichts damit zu tun hätte. Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich kann nur sagen, dass Qualität und Mühe darin steckt. Keine angespannte Mühe, sondern intensive Arbeit und eine gewisse Chemie, die so nur zwischen Ernst und mir stattfinden kann.“

Die Beschäftigung mit der eigenen Kunst und den Reaktionen, die sie hervorruft, sind dennoch zentrales Thema auf „White Lies“. War „Kasmodiah“ geprägt von introvertierten Bildern, so wird in den neuen Songs wie „Generators“, „Stupid“ oder „Where You Are“ eher die Außenperspektive bevorzugt.

ALEXANDER VELJANOV: „Ich habe nicht versucht, den Worten zusätzliches Licht zu verleihen. Selbst ein leichtfüßiger Song wie ´Where You Are` ist textlich schon voll genug. Für mich war es eine Gratwanderung zwischen Traurigkeit und Optimismus. Ich konnte mich da teilweise so fallen lassen wie bei unserem Debüt. Heute aber, da ich niemanden etwas beweisen muss….“

ERNST HORN: „Aufgrund unserer manchmal etwas problematischen Chemie waren wir nach dem 96er ´Winter Fish Testosterone`- Album, das eigentlich sehr weit nach vorne schaute, etwas irritiert, und haben erst einmal unsere Kräfte gesammelt. Darum war ´Kasmodiah` eher eine Art Rückschau. Und ´White lies` ist beides, es ist zwar introvertiert, zugleich aber suchend nach Elementen, die zu uns passen könnten.“

Diese Elemente sind teilweise so versteckt bzw. geschickt verarbeitet, dass sie nur für den Connaisseur oder den Musiker selbst wahrnehmbar sind. In wieweit kann sich dieses eingespielte Team, können sich Alexander und Ernst gegenseitig heute noch überraschen?

ERNST HORN: „Alexanders Gesang ist für mich immer wieder eine Überraschung. es geschiet immer etwas Unerwartetes. Irgendetwas geht, von dem ich dachte, dass es nicht gehen würde - und umgekehrt.“

ALEXANDER VELJANOV: „Für mich ist es Ernsts bedenkenloser Umgang mit Mainstream-Pop, das verwenden von Elementen, die ich in diesem Kontext nie gewagt hätte. Doch ich weiß, worauf du hinaus willst. Allzu viele Überraschungen kann man nicht mehr erwarten, man kennt sich sehr gut, und es müssen keine Grundsatzdiskussionen mehr geführt werden - auch nicht über Trends. Wir sind ja nicht Faithless. Nimm` einen Song von unseren Debüt und lass` ihn uns mit unserem heutigen Know-How und den jetzigen technischen Mitteln einspielen - und er würde auch auf ´White Lies` seinen Platz finden. Das ist einerseits ein Kompliment, andererseits kann es auch dein Argument unterfüttern, wieder etwas mehr zuzulassen und jemanden von außen mit ins Boot zu nehmen.“

Kommerziell gesehen gibt es für einen radikalen Stilwechsel keinen Grund. „White Lies“ wird am 7. Januar veröffentlicht und ohne Zweifel die obersten Regionen der Charts stürmen. Label und Promotionfirma halten es für durchaus möglich, dass das Album diesmal sogar die Top-Position knacken könnte.

ALEXANDER VELJANOV: „Da rege ich mich immer drüber auf!“

ERNST HORN: „Naja, naja…!“

ALEXANDER VELJANOV: „Klar wir sind in verschiedenen Magazinen ´Album des Monats`. Aber es hätte auch sein können, dass der Zeitpunkt gekommen ist, an dem alle denken, dass es nun langsam reicht. Es kann so schnell kippen. Chartpositionen sind Zufälle!“

ERNST HORN: „Im Studio bei der intensiven Arbeit denken wir Gott sei Dank nur selten an so etwas. und jeder möchte etwas anderes. Die Fans, die Plattenfirma - jeder hat an irgend etwas herumzumeckern. Und wenn du das alles an dich heranlässt, was bleibt dir dann noch? Was bleibt mir in einem solchen Fall dann noch von einer Nr. 1-Position übrig? Das ist dann nur Geld. Und obwohl es zynisch klingt - ich bin Musiker! Ich weiß inzwischen, dass Geld im Wege stehen kann und Zeit stiehlt. Und ich brauche Zeit, um in Ruhe die Dinge auszuprobieren, die ich machen will. Und luxuriös leben wir beide nicht.“

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